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Wilhelm Emmanuel von Ketteler

Ein Referat von Christina Neugebauer, Katholische Religion, Kurs 13,2 (2008/09) Gymnasium am Mosbacher Berg, Wiesbaden

 

Wilhelm Emmanuel von Ketteler

 

Wilhelm Emmanuel von Ketteler war katholischer Priester, Bischof des Bistums Mainz sowie Abgeordneter der Nationalversammlung 1848 und Politiker der deutschen Zentrumspartei während der Reichsgründung. Außerdem gründete er die katholische Arbeitnehmer-Bewegung mit.

1. Jugendzeit, Studium und Priesterweihe (1811-1844)

Von Ketteler wurde am 25. Dezember 1811 in Münster in eine einfache, streng christliche Familie hineingeboren. Sein Vater, Maximilian Friedrich Freiherr von Ketteler-Harkotten, war Jurist, Verwaltungsbeamter und zeitweise Landrat; seine Mutter, Clementine Freifrau von Ketteler, wird als sehr strenge, doch auch liebenswürdige und fromme Frau beschrieben. Der junge Ketteler war kein Musterkind. Im Gegenteil – er fiel in der Schule als heftiger, lauter Junge auf, der sich nach Streitereien dennoch stets versöhnlich zeigte. Als er 12 wurde, schickten ihn seine Eltern in das Internat des Collegium Spiritus Sanctus nach Brig im Kanton Wallis in die Schweiz, wo er vier Jahre von den Jesuiten erzogen wurde. Im Jahr 1828 kehrte von Ketteler nach Münster zurück und legte dort sein mittelprächtiges Abitur ab, um 1829 das Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen aufzunehmen. Von Ketteler hatte Verbindungen zu einer Studentenverbindung und war in ein Duell verwickelt, bei dem er seine Nasenspitze verlor. Der junge Ketteler widmete sich seinen Studien auch in Berlin, Heidelberg und München. Sein juristisches Staatsexamen legte er in Münster ab. Daraufhin schlug er die juristische Laufbahn als Gerichtsreferendar ein, quittierte jedoch bald den Staatsdienst aus Glaubens- und Gewissensgründen. Das „Kölner Ereignis“ 1837 prägte den jungen Ketteler, als er mit ansehen musste, wie der Kölner Erzbischof verhaftet wurde, als es um die Debatte um Mischehen ging. Von Ketteler zeigte sich empört über den Eingriff der preußischen Staatsgewalt in innerkirchliche Angelegenheiten.

Nachdem von Ketteler schon einige Zeit den Staatsdienst beendet hatte, dachte er daran, Priester zu werden, obwohl er von Zweifeln geplagt wurde und nicht wusste, ob diese Profession zu seiner Natur passen würde. Er ging nach München, wo er auf wichtige katholische Männer wie Joseph Görres und den Bischof von Eichstätt, von Reisach, traf, die ihn zum Theologiestudium antrieben, welches er dann 1841 begann. 1843/44 begann von Ketteler seine pastoraltheoretische Ausbildung und wurde am 1. Juli 1844 schließlich zum Priester geweiht. Zu dem Zeitpunkt waren Kettelers Eltern bereits verstorben.

2. Vom Kaplan zum Bischof von Mainz (1844-1850)

Schon als 3. Kaplan in Beckum, ein kleines Dorf bei Münster, hatte von Ketteler großes Interesse an der „sozialen Frage“ seiner Zeit. Er leistete Großes, hielt ernste, aufrüttelnde Predigten und mahnte zur Buße; außerdem ließ er für Schulkinder ein spezielles Zimmer errichten, damit diese im Winter nicht in der Kälte auf den Unterrichtsbeginn warten mussten. Volkskatechesen machten ihn über das Dorf hinaus bekannt. Der „Vater der Armen“ richtete ein Krankenhaus ein und versuchte, die alte Idee des gemeinsamen Lebens der Geistlichen zu verwirklichen.

Ende 1846 wechselte von Ketteler nach Hopsten und musste zunächst feststellen, dass die Gemeinde seelsorglich total verwahrlost war. Grund hierfür war, dass der Vorgänger von Kettelers sehr alt wurde und der Pfarrer auf die Einkünfte aus dem kirchlichen Besitz der Pfarrei angewiesen war; außerdem war dieser Anhänger der Aufklärung gewesen und hatte in dem Ort keinen Wert auf die Bedeutung der Marienverehrung gelegt. Der „Bauern-Pastor“ von Ketteler, wie er genannte wurde, trat in den Dienste der Nächstenliebe und versuchte, die Missstände zu lindern. Um dem sozialen Elend zu begegnen, was durch Hungersnot und einer Typhus-Epidemie verstärkt wurde, gründete er einen Verein zur Unterstützung der Armen, teilweise mit eigenen finanziellen Mitteln. Sein selbstloses Wirken verschaffte ihm Hochachtung und Vertrauen in der Gegend.

Der politische Wunsch nach Demokratie und der Gründung des deutschen Reichs anstelle von Kleinstaaten äußerte sich im Jahr 1848 in Form der Märzrevolution. Von Ketteler ließ sich als Abgeordneter der ab 18.5.1848 tagenden Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche aufstellen, in der er sich besonders für den Grundwert der Freiheit engagierte. Im Herbst desselben Jahres hielt von Ketteler die „Leichenrede“ für zwei konservative Männer, die von Revolutionären bestialisch ermordet wurden. Genau 14 Tage später wurde von Ketteler dann zum 1. deutschen Katholikentag nach Mainz eingeladen, wo er eine Rede über die „soziale Frage“ vortrug. Zur Bezeichnung „Arbeiterbischof“ kam der Priester auch, weil er im November und Dezember 1848 sechs berühmte Adventpredigten zu aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Armut und mangelnde Ausbildung bzw. Verelendung der Arbeiterschaft in Deutschland hielt. Zu seinen persönlichen Zielen machte er sich folglich die im Argen liegende Seelsorge der katholischen Gemeinden sowie die Behebung der bedrückenden sozialen Nöte.

Am 15. März 1850 wurde von Ketteler zum Bischof von Mainz ernannt und am 25. Juli geweiht.

Datei:Wilhelm Emmanuel von Ketteler 1865.jpg

3. Die Zeit als Bischof von Mainz bis zum 1. Vatikanischen Konzil

Zunächst war von Ketteler mit seiner Situation unzufrieden, da er entgegen der protestantischen Landesregierung frei wirken wollte und auch mit der sehr aggressiven Sekte der Deutschkatholiken (einer neuprotestantischen Abspaltung) Probleme hatte. Von Ketteler gründete oder unterstützte weiterhin Vereine wie Gesellenvereine in ganz Hessen auf Anregung Adolf Kolpings. Die Mainzer Kolping-Familie unterstützte von Ketteler finanziell. Auch neue Ordengemeinschaften wie z.B. die „Finthener Schwestern“, die in Krankenhäusern und Waisenhäusern notmildernde Arbeit verrichteten, wurden auf Anraten von Kettelers im Bistum errichtet.

Zu Wilhelm von Kettelers Seelsorgearbeit gehörten auch Firmreisen und Wallfahrten sowie die Feier von Kirchentagen. Er versuchte, die Seelsorge weiter zu intensivieren und ein blühendes Glaubensleben im Bistum zu erschaffen. Sein soziales Engagement zeigte sich auch durch die 1864 erschienene Schrift „Die Arbeiterfrage und das Christentum“ sowie 1869 „Fürsorge der Kirche für die Fabrikarbeiter“, in der es um den gewerkschaftlichen Zusammenschluss der Arbeiter und die Einschaltung staatlicher Gesetzgebung zur Humanisierung der Arbeitswelt ging.

4. Das 1. Vatikanische Konzil (1869)

Wilhelm von Ketteler wirkte bei der Vorbereitung des 1. Vatikanischen Konzils unter Papst Pius IX. im Dezember 1869 mit, welches wachsendes Misstrauen bei Theologen und Politikern zur Folge hatte. Die Theologen befürchteten eine zu einseitig gesehene Erklärung über die päpstliche Unfehlbarkeit, wogegen Politiker einen zu starken römischen Zentralismus kritisierten. Der Papst würde sich in innere Angelegenheiten der Staaten einmischen, in denen auch Katholiken lebten.

Auch von Ketteler hielt eine feierliche Verkündung des Unfehlbarkeits-Dogmas zu dem Zeitpunkt für nicht angebracht: Er wollte, dass die Unfehlbarkeit des Papstes aus der christlich-katholischen Tradition vollständig bewiesen werde und dass bei dem Konzil auch Gegner zu Wort kommen sollten. Außerdem müsse der Beschluss im Zusammenhang mit der Gesamtlehre der Kirche gesehen werden, was erst im 2. Vatikanischen Konzil erfüllt wurde. Auf dem 1. Vatikanischen Konzil selbst war von Ketteler darum bemüht, dass die Interessen aller Konzilsväter gewahrt wurden. Er trat dafür ein, dass päpstliche Unfehlbarkeit nur dort zu finden sei, wo der Papst „ex cathedra“, auf Grund seines Amtes, in Angelegenheiten der Glaubens- und Sittenlehre ausdrücklich seine Unfehlbarkeit in Anspruch nehme.

Pius IX. lehnte die Vorschläge von Kettelers ab und reiste, wie andere Bischöfe auch, schon vor Beginn der Abstimmung des Konzils über die Unfehlbarkeit ab; dennoch unterwarf er sich dem Beschluss am Ende.

5. Jahre des Kampfes (1870-1877)

Der deutsch-französische Krieg ab 1870 forderte viele Verwundete und Kriegsgefangene. Von Ketteler zeigte sich um die vielen katholischen Soldaten Hessens besorgt, die sich noch im Krieg befanden, und nahm selbst zwei französische Priester bei sich auf. Nach dem 1. Vatikanischen Konzil hatten sich die vorher aufgebrachten Menschen beruhigt; dennoch blieb die Frage offen, wie die Stellung der Katholiken im neuen Deutschen Kaiserreich wohl aussähe, das am 18. Januar 1871 in Versailles ausgerufen wurde und das wahrscheinlich unter der Vorherrschaft des protestantisch dominierenden Preußen stehen würde.

1870 schrieb von Ketteler an den späteren Reichkanzler Otto von Bismarck und sprach sich für religiösen Frieden aus. Erneut nahm der Bischof ein politisches Mandat an, weil er sich aus Sorge um die Freiheit der Kirche dazu verpflichtet sah, politisch aktiv zu werden. 1871 wurde von Ketteler folglich Mitglied im deutschen Reichstag und gründete mit Ludwig Windthorst die Zentrumspartei als Gegengewicht zu den protestantischen Parteien und insbesondere zu Bismarck. Von Ketteler setzte sich für die Autonomie und Macht der Kirche ein und sah sich selbst als Gegner der Trennung von Staat und Kirche, was ihn im Kulturkampf zum „Feind“ Bismarcks machte. Von Kettelers politische Anschauung wurde auch in seiner Rede „Liberalismus, Sozialismus und Christentum“ überdeutlich, in der er Liberalismus als eine „Gegenkirche“ zur katholischen Kirche bezeichnete und Sozialismus als den „widerspenstigen, aber rechtmäßigen Sohn“ des Liberalismus. Auch verachtete er die philosophischen Vorstellungen von Naturalismus, Pantheismus und Rationalismus.

Von Ketteler forderte die Pflicht des Staates zu einer entsprechenden Gesetzgebung ein. Es waren insbesondere fünf Punkte, die einer Regelung bedurften: die Erhöhung des Arbeitslohnes, die Verkürzung der Arbeitszeit, die Gewährung von Ruhetagen, das Verbot der Kinderarbeit und die Abschaffung der Fabrikarbeit von Müttern und jungen Mädchen. Trotz dieser umfassenden Programmatik wünschte der „Arbeiterbischof” die liberalistisch geprägten Wirtschaftsstrukturen nicht im Sinne einer sozialen Revolution umzustürzen, sondern im Sinne einer auf konkrete Problemstellungen akzentuierten Sozialpolitik zu reformieren.

1873 wurden die Maigesetze erlassen, nach denen die Kirche einer Staatsaufsicht unterworfen wurde und auch kirchliche Ausbildungseinrichtungen, die bisher unter kirchlicher Kontrolle waren, nun vom Staat überwacht wurden. 1874 kam es zu Reformen im Schulwesen: Konfessionsschulen wurden abgeschafft und Geistlichen wurde die Erlaubnis zum Unterrichten entzogen. Ein Jahr später wurde die rechtliche Stellung der Kirche und Religionsgemeinschaften neu definiert; von Ketteler musste sich häufig gegen publizistische Attacken wehren.

Auf einer letzten Romreise im Jahr 1877 erkrankte von Ketteler stark und verstarb am 13. Juli 1877. Sein Leichnam wurde am 18. Juli 1877 im Mainzer Dom beigesetzt.

 

Datei:Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler - 6 pf. - 1948.jpg

Gesamturteil

Wilhelm Emmanuel von Ketteler war Mitbegründer der katholischen Soziallehre („Arbeiterbischof“).

Er bereitete die Hinwendung in der Sozialtätigkeit der katholischen Kirche zum Wohle der Arbeiterschaft vor, die dann von Papst Leo XIII. vollzogen wurde. Bischof Ketteler gab bedeutende Anregungen zur bahnbrechenden Sozialenzyklika Rerum novarum (Leo XIII.)

Sein Leben lang widmete sich von Ketteler der Bedeutung der „sozialen Frage“ in der neu entstehenden Industriegesellschaft.

Unermüdlich im Dienste seiner Kirche und der Seelsorge, wurde von Ketteler zum Symbol des um die Selbstbehauptung kämpfenden deutschen Katholizismus.

Die Gedanken des "sozialen Bischofs" sind zum Ideengut aller christlichen Sozialreformer geworden.

Das am 06.05.1891 im Reichstag angenommene Arbeiterschutzgesetz ist auch aus dem Geist Kettelers erwachsen. Noch vor seiner Entlassung gab Bismarck zu: “Ohne Ketteler wären wir noch nicht so weit”.

Ketteler-Stiftung

In Deutschland gibt es eine nach Ketteler benanannte Gemeinschaftsstiftung zur Förderung der caritativen sozialen Arbeit im Bistum Mainz. Sie unterstützt Aufgaben und Projekte der Caritas vor Ort – auch materiell – und sucht die Zusammenarbeit mit Caritasgruppen und -Verbänden, Pfarrgemeinden und sonstigen katholischen sozialen Einrichtungen. Die Stiftung trägt dazu bei, die vielfältigen Fragen heutiger Sozialpolitik in der Kirche und in der Öffentlichkeit ins Gespräch zu bringen. Schließlich fördert die Stiftung die Begegnung mit Persönlichkeiten, die in Kirche und Gesellschaft sozialpolitische Verantwortung tragen. Und sie fördert die öffentliche Diskussion sozialpolitischer, sozialwissenschaftlicher und caritas-theologischer Gegenwartsfragen.

 

Referat von Christina Neugebauer am 13. März 2009

Quellenangaben

1. Ingobert Jungwitz: „Bischof Wilhelm E. von Ketteler – Stationen seines Lebens“

2. http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Emmanuel_von_Ketteler

3. http://www.uni-giessen.de/~g41007/ketteler.html

4. http://www.ketteler-stiftung.de/

5. http://www.regionalgeschichte.net/hauptportal/bibliothek/texte/biographien/ketteler-wilhelm-emmanuel-von.html

6. http://www.kirchenlexikon.de/k/Ketteler.shtml


 

Handout

 

Wilhelm Emmanuel von Ketteler

*25.12.1811 † 13.7.1877

Datei:Wilhelm Emmanuel von Ketteler 1865.jpg

- Katholischer Bischof von Mainz (1850-1877)

- späterer Begründer der katholischen Soziallehre

- Fürsprecher und Anwalt der Armen

- Sozialpolitiker (Zentrumspartei)

- gründete eine Reihe sozialer Einrichtungen, von denen einige heute noch bestehen

 

Wichtige Stationen seines Lebens

1823: Internatsausbildung bei den Jesuiten in Brig (Schweiz)

1828: Abitur

1829: Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen

1841: Studium der Theologie in München

1844: Priesterweihe

1844: Kaplan in Beckum (November)

1846: Pfarrverwalter in Hopsen

1848: Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche

Herbst 1848: Leichenrede

1850: Weihe zum Bischof von Mainz

1871: Abgeordneter im Deutschen Reichstag und Mitbegründer der Zentrumspartei

1877: Beisetzung im Mainzer Dom

Anschauungen

- Gegner der Trennung von Staat und Kirche (Bismarck)

- wollte Autonomie und Macht der katholischen Kirche erhalten

- Gegner der auf dem 1. Vatikanischen Konzil beschlossenen Unfehlbarkeiserklärung des

Papstes Pius IX.

- Interesse an der „sozialen Frage“ schon als Kaplan in Beckum

- Ruf des „Bauernpastors“ und „Arbeiterbischofs“: „Vater der Armen“


 

Bilder

 

Wilhelm Emmanuel von Ketteler

Datei:Wilhelm Emmanuel von Ketteler 1865.jpg

1865

Datei:Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler - 6 pf. - 1948.jpg

Briefmarke, 1948

zum Referat von Christina Neugebauer über AlfredDelp


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Letzte Aktualisierung: 26 August 2009